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Thomas Harris: Hannibal Rising

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Thomas Harris: Hannibal Rising

Eines vorneweg: Weil das Forum "Kritiker" einer sehr eng begrenzten Art von Themen vorbehalten scheint, lege ich dieses Thema hier an, obwohl es eher um den Konsum von Literatur geht, als um ihre Herstellung.


Gibt es noch andere, die so scharf darauf sind, Hannibal Rising zu lesen?

Einen kurzen Auszug gibt es ja schon online: http://www.google.at/url?sa=t&ct=re...59m3eKpkekhW-Miw=&sig2=NUIetcTLYm9ovKcOHED4QA

Ich persönlich halte Thomas Harris für einen der besten Stilisten unserer Zeit. Außerdem sind seine Einblicke in die menschliche Psyche sowohl erhellend als auch verstörend. Nicht zuletzt scheint er ein origineller Denker zu sein, dessen Verdienst nicht zuletzt darin besteht, kulturelle Schätze zu heben und Thriller-Lesern eine Welt der Schönheit zu erschließen.
Andererseits muss auch ich zugeben, dass es krankhafte Züge hat, etwa den Verzehr des Gehirns eines Justizbeamten während dieser noch lebt, genüsslich zu beschreiben.

(Ihr seht sicher an diesen wenigen Zeilen, dass ich Thomas Harris gut finde.)

Meiner Meinung nach charakterisiert ein knapper und außerordentlich verdichteter Stil seine Art zu schreiben. In "Hannibal" gab es Kapitel von kaum zwei Seiten Länge. Er verwendet Sinneseindrücke, koppelt sie an Gedächtnis und unbewusste Wahrnehmung. Die Details zeugen von gewissenhaften Recherchen. Ich verehre Thomas Harris und muss gleichzeitig zugeben, dass meine eigenen Geschichten kaum eine von diesen Qualitäten haben. ;)

Letzte Woche habe ich "Das Schweigen der Lämmer" zur Hand genommen und zu meinem Erstaunen festgestellt, dass der Roman nur 350 Seiten lang ist, obwohl darin so viel passiert, dass es in meiner Erinnerung eher 500 Seiten waren.

 

Mit etwas gutem Willen ist es "Stilistik". :)

@Blackwood:

Seine Einblicke in die menschliche Psyche bedienen all die klischeehaften Vorstellungen, die in den Köpfen der meisten vorherrschen.
Einspruch! Das trifft möglicherweise auf einige Nebenfiguren zu. Wer sagt, dass ALLE Personen in einem Roman sich stark von Klischees unterscheiden müssen? Was konkret war in "Das Schweigen der Lämmer" klischeehaft?

Ich kenne keinen Autor, der die Verbindung von Außenwelt und Innenwelt so überzeugend darstellt wie Thomas Harris.

Außerdem sollte dieser Thread für Leute sein, die diesen Autor GUT finden. ;)

 

Harris' Hannibal ist das schlechteste Buch, das ich je gelesen habe. Und das einzige Buch, das ich jemals weggeworfen hab', nachdem ich es endlich durch hatte. Ich stimme Blackwood absolut zu: klischeehafter geht kaum noch.

 
Zuletzt bearbeitet:

Es ist eines meiner Lieblingsbücher, nicht so sehr wegen der Handlung, sondern wegen der Stilmittel. Den Vortrag über "Verrat und Hängen" und die anschließende Hinrichtung des Polizeibeamten fand ich beispielsweise genial.

 

Berg schrieb:
Gibt es noch andere, die so scharf darauf sind, Hannibal Rising zu lesen?

Ja, die gibt es. Die Verrisse bezüglich "Hannibal" konnte ich nie nachvollziehen. Alleine das edle, fiorentinische Flair ist ein Genuss, oder? Natürlich kann man die Stirn darüber runzeln, wie der meistgesuchte Mann Amerikas unerkannt problemlos reisen kann. Aber die "Hannibal"-Romane sind schließlich Thriller, keine Biographien. Ein wenig enttäuscht bin ich jetzt schon wegen der geringen Seitenzahl - nach "Hannibal" hätte ich mir doch ein wenig mehr Seiten erwartet. Doch das Endergebnis wird hoffentlich die Wartenden entschädigen. In ca. 2 Wochen wissen wir mehr.

 
Zuletzt bearbeitet:

(entfernt, weil ohne Bedeutung)

 

Hi!

Ich bin auf jeden Fall sehr gespannt auf einen neuen Hannibal! Obwohl meiner Meinung nach der erste Hannibal-Roman "Roter Drache" noch deutlich der beste war, und im nachfolgenden die Sache schon etwas nachließ, halte ich alle Lector-Romane für extrem gute Thriller. Sie ragen auf jeden Fall deutlich aus dem Genre heraus, wo viel veröffentlicht wird, allerdings wenig gutes.

Ich werd es mir nicht entgehen lassen, irgendwann auch den neuen Hannibal mal zu Gemüte zu führen. Bin wirklich gespannt.

Beste Grüße

Nothlia

 

Am Samstag bekomme ich es. Beinahe so gut wie Weihnachten. :)

 

Ich bin bei "Prequels" generell skeptisch, und bei diesem besonders (ich schreibe dies als Filmfan, da ich Harris' Bücher nicht kenne, aber die Verfilmung von "Hannibal Rising" schon auf dem Weg ist).
In "Schweigen der Lämmer" ist Hannibal eine geheimnisvolle, unerklärliche, fast göttliche Figur.
Jetzt groß und breit zu erklären, was diese Figur in der Jugend erlebt hat, damit sie so geworden ist, das kann ja nur enttäuschend werden. Als würde man erklären, was bei "Pulp Fiction" genau in dem Koffer drin ist.

 

Ich fand "Hannibal" schon einigermaßen überflüssig und bis auf einige Szenen lächerlich und konstruiert, trotzdem werde ich mir wahrscheinlich den nächsten Kracher auch wieder genehmigen, nur so zum Spaß.

Harris hätte sich tatsächlich nach "Schweigen der Lämmer" einem anderen Thema zuwenden sollen und nicht nur das viele Geld sehen.

 
Zuletzt bearbeitet:

Und ich wiederrum bin ein großer Fan von 'Hannibal'. Es verlässt irgendwie die Grenzen von normalen Thrillern und wird dadurch umso spannender - oder wer hätte mit diesem Ende gerechnet?
Und wie Rainer schon schrieb, durch das ganze Buch zieht sich eine elegante, künstlerische Atmosphäre (lässt sich schlecht beschreiben).

Die ersten Rezensionen zu 'Rising' lassen übrigens nichts Gutes erahnen. Spannungsarm soll es sein und außerdem würde es der Figur Hannibal Lecter jegliche Aura des Mysthischen berauben. Die Inhaltdsangabe macht allerdings wie ich finde Lust aufs Buch und verspricht eine interessante Spannung. Naja, werde warten, bis es das Taschenbuch geibt (leider hats bei Hannibal sehr lange gedauert, bis das rauskam - kann sich da noch jemand dran erinnern?).

 
Zuletzt bearbeitet:

@Hanniball: Wenn Harris nur aufs Geld schauen würde, würde er jedes Jahr ein Buch auf den Markt werfen. "Hannibal" enthält eine Reihe von innovativen Spielereien und man lernt eine Menge über Florenz und die Genetik von Wildschweinen.

@Anteron: Schon eine Figur wie Lecter zu schaffen war ein großer Wurf. Tiefer zu bohren und manches zu erklären macht die Sache noch interessanter.

Bin gerade von meinem Buchhändler zurückgekommen, der das von mir bestellte Exemplar von "Hannibal rising" noch nicht bekommen hat. Dienstag sollte es da sein, sagt er.

Dienstag:
Angeblich gibt es bei der Lieferung Verzögerungen, aber morgen oder übermorgen soll das Buch da sein. Jetzt war ich schon dreimal bei diesem Buchhändler. Am Ende werde ich noch Stammkunde - und werde doch nur ein Buch gekauft haben. :) Egal, morgen gehe ich wieder hin.

 

Review:

Es ist höchste Zeit, dass ich meinen Eindruck beschreibe, weil ich das Buch schon Samstag nachts ausgelesen habe. Bekommen habe ich es am Samstagmorgen. Ganz schlecht kann es also nicht gewesen sein. ;)

Der Roman ist kaum 350 Seiten lang und beginnt sehr stark mit einigen Seiten über Dr. Lecters Gedächtnispalast und den dunklen Kammern in ihm, zu denen er selbst keinen Zugang hat. Dieses Konzept, im Geiste einen Palast zu bauen, um die Erinnerungen zu verwahren, hat mich auch in "Hannibal" schon fasziniert.

Eine neue interessante Figur in dem Buch ist der Hauslehrer Jakov, der Hannibal bis zu seinem achten Lebensjahr unterrichtet. Er ist Jude und musste die Universität von Leipzig verlassen. Auf dem Schloss der Lecters in der Nähe von Vilnius findet er eine neue Anstellung.

Nebenbei bemerkt: Vor fünf Jahren war ich als Praktikant in Vilnius. Das Buch enthält aber keine Beschreibung mir bekannter Orte. Harris erwähnt zum Beispiel die Universität, beschreibt sie aber nicht.

So ist das mit vielem in dem Buch: Orte und Handlungen werden erwähnt, aber kaum beschrieben. Diesen Fehler, den man mir immer wieder zu recht vorwirft, hat Thomas Harris in diesem Buch in großem Ausmaß gemacht. Leider fehlen auch die bestürzenden Dialoge der Vorgänger-Bücher. Das ganze wirkt beinahe oberflächlich.

Die Handlung ist folgende: Banditen besetzen 1945 das Jagdhaus der Lecters. Die Eltern sterben bei einem der letzten Gefechte von Deutschen und Russen in der Region. Die Banditen fressen Menschenfleisch, auch Mischa, die dreijährige Schwester des achtjährigen Wunderkindes Hannibal. Ihm brechen sie den Arm, als er sie daran hindern will. Die ganze Zeit ist es bitter kalt. Hannibal überlebt und kommt in das Waisenhaus, das die Sowjets im Schloss seiner Familie errichten. Er ist so stark traumatisiert, dass er nicht mehr spricht. Er ist ein Außenseiter. Die Aufseher schlagen ihn. Die Rettung kommt in Gestalt seines Onkels Robert Lecter aus Frankreich. Hannibal unterzieht sich einer Psychoanalyse und findet die Sprache wieder. Er überspringt einige Klassen. Mit achtzehn ist er der beste Medizinstudent seines Jahrgangs und arbeitet an einem Anatomieatlas mit.

Der Rest lässt sich so zusammenfassen: Er stellt Nachforschungen nach den Banditen an, reist nach Litauen ein und ermordet nach und nach die ganze Bande.

Eine wichtige Nebenfigur ist die japanische Frau von Robert Lecter, Lady Murasaki, eine schöne, elegante und liebevolle Japanerin (Klischee von vorne bis hinten!).
Leider ist die Ausführung der Rache-Morde eher plump und reicht nicht an Aktionen wie den Ausbruch in "Das Schweigen der Lämmer" oder den Mord an Pazzi in "Hannibal" heran: Seine Gegenspieler stellen Hannibal nach. Zweimal geschieht es, dass der Mörder in spe das "Opfer" Hannibal beobachtet, sich näher heranschleicht, und plötzlich - wie aus dem Nichts - ist Hannibal da und schlägt den Angreifer zu Boden. Zweimal spielt sich das genau so ab.

Wäre der Text auf kg.de würde ich sagen: Nein, mein Freund! Da musst Du nochmal drüber! :)

Der Roman ist nur Fans zu empfehlen. Andere sollten besser "Roter Drache" oder "Das Schweigen der Lämmer" lesen.

 

Nur wegen des faszinierenden Entwurfes des Gedankenpalastes und der surrealen Komik der letzten Szene aus "Hannibal" werde ich dieses Buch hier wahrscheinlich lesen.

 

Ben Jockisch schrieb:
In "Schweigen der Lämmer" ist Hannibal eine geheimnisvolle, unerklärliche, fast göttliche Figur.
Jetzt groß und breit zu erklären, was diese Figur in der Jugend erlebt hat, damit sie so geworden ist, das kann ja nur enttäuschend werden.
Eins vorweg, Ben Jockisch, es interessiert mich nicht, ob Thomas Harris die Kindheit, also die Begründung für die Einmaligkeit von Hannibal Lecter gut oder weniger gut beschrieben hat, wichtig ist allein, daß er das versuchte.

Es ist leicht, sich irgendwelche Besonderheiten oder Perversitäten von Personen auszudenken, schwer dagegen ist es, sie auch schlüssig zu begründen. Für mich sind Bücher, die das nicht liefern, reine Effekthascherei - die wollen nur Wirkung zeigen, nicht aber das Warum.

 
Zuletzt bearbeitet:

Moin!

Dion schrieb:
Eins vorweg, Ben Jockisch, es interessiert mich nicht, ob Thomas Harris die Kindheit, also die Begründung für die Einmaligkeit von Hannibal Lecter gut oder weniger gut beschrieben hat, wichtig ist allein, daß er das versuchte.

Es ist leicht, sich irgendwelche Besonderheiten oder Perversitäten von Personen auszudenken, schwer dagegen ist es, sie auch schlüssig zu begründen. Für mich sind Bücher, die das nicht liefern, reine Effekthascherei - die wollen nur Wirkung zeigen, nicht aber das Warum.

Jetzt mal die allgemeinen literarischen Qualitäten von Harris außer Acht lassend - über die ich nicht viel sagen kann, da ich nur die Filme kenne - würde das ja bedeuten, dass das "Schweigern der Lämmer" so lange "Effekthascherei" war, bis jetzt mit "Hannibal Rising" die "Sekundärliteratur" erschienen ist.
In dem Buch (was mich angeht: Film) geht es um die Psyche von Starling und Buffalo Bill. Die Psychologie aller Handelnden Personen muss nicht aufgedeckt werden, und schon gar nicht die von Archetypen, mythologisschen resp. mystischen Figuren.
Und wenn ein Autor keinen wirklich guten Grund, keine zündende Idee für die Erklärung hat, dann finde ich schon den Versuch verwerflich.
Ein Beispiel für die Banalisierung einer ähnlichen Figur: Darth Vader. Niemand, den ich kenne, war glücklich mit der Erklärung, dass hinter der Maske des finsteren Satan ein frustrierter, spätpubertierender, bockiger, unglücklich verliebter Teenager steckt.

 

Hallo Ben,

das "Schweigern der Lämmer" war keine Effekthascherei, weil dort Hannibal Lecter - wie auch du schreibst - eine untergeordnete Rolle spielte, ganz im Gegensatz zu „Hannibal“, wo es praktisch nur um ihn geht und wo seine Beweggründe trotzdem nicht erklärt werden.

Auch im Star Wars Trilogie war Darth Vader nicht der eigentliche Böse, sondern nur ein Handlanger des Imperators - eine Hintergrundinformation war zu dem Zeitpunkt daher entbehrlich.

Für mich sind schlechte Bücher die, in welchen das Böse einfach böse ist, damit die Story eine Story hat. Natürlich müssen die Beweggründe nicht jeder Figur aufgedeckt werden, aber sobald die Figur die, oder eine der, Hauptrolle(n) spielt, dann muß das geschehen, sonst bleibt am Ende ein Nachgeschmack bzw. die Frage übrig: Und jetzt? Warum das alles?

Mit anderen Worten: Daß Menschen mitunter auch Böses tun, ist nichts Neues, das wissen wir alle, aber warum sie das tun, das wissen wir nicht, das können wir auch nicht wissen, denn das ist bei jedem Menschen anders - gerade das macht sie in meinen Augen erst interessant.

Dion

 

Moin!

Dion schrieb:
das "Schweigern der Lämmer" war keine Effekthascherei, weil dort Hannibal Lecter - wie auch du schreibst - eine untergeordnete Rolle spielte, ganz im Gegensatz zu „Hannibal“, wo es praktisch nur um ihn geht und wo seine Beweggründe trotzdem nicht erklärt werden.
Also, wenn es nach mir ginge, hätte "Hannibal" auch nie geschrieben (bzw. verfilmt) werden müssen. :D
Auch im Star Wars Trilogie war Darth Vader nicht der eigentliche Böse, sondern nur ein Handlanger des Imperators - eine Hintergrundinformation war zu dem Zeitpunkt daher entbehrlich.
Ich finde, Vader war in der ursprünglichen Trilogie Trotz seiner "Handlangerposition" der zentrale Antagonist, schon allein deshalb, weil der Imperator erst in Teil 3 vorkommt und Vader der Vater der Hauptperson ist (sieht man beide Trilogien gemeinsam, wird klar, dass er auch die eigentliche Hauptfigur der ganzen Serie ist).
Aber die fehlenden Infos über Vaders Kindheit störten in den Urfilmen nicht, weil sich die Motivation Vaders hinreichend aus seiner "politischen" Position erklärt: Er ist einer der Herrscher, die Rebellen wollen ihn stürzen, also bekämpft er sie. Mehr braucht es nicht, denn "Star Wars" sind Märchen-/Fantasyfilme, in der der Antagonist nicht zwingend einen überzeugenden psychologischen Hintergrund benötigt (bei anderen Filmen/Literatur sieht das natürlich ganz anders aus).

Ein Charakter, der nicht bloß als ein mythischer Archetyp angelegt ist, braucht eine einigermaßen nachvollziehbare psychologische Motivation, aber das bedeutet nicht, dass sein Wesen unbedingt in allen Punkten "erklärt" werden muss, allzu oft wird das ganze Handeln eines fiktionalen Charakters auf ein-zwei Ereignisse verkürzt: Weil er als Kind mitansehen musste, wie sein Bruder ertrunken ist, ist er so geworden.
Das stört mich, nicht nur, weil es eigentlich gar nichts erklärt, sondern auch deshalb, weil ich ja nicht mal genau verstehe, weshalb ich so bin, wie ich bin. Geschweige denn andere Leute.

 

Ben Jockisch schrieb:
Ein Charakter, der nicht bloß als ein mythischer Archetyp angelegt ist, braucht eine einigermaßen nachvollziehbare psychologische Motivation, aber das bedeutet nicht, dass sein Wesen unbedingt in allen Punkten "erklärt" werden muss, allzu oft wird das ganze Handeln eines fiktionalen Charakters auf ein-zwei Ereignisse verkürzt: Weil er als Kind mitansehen musste, wie sein Bruder ertrunken ist, ist er so geworden.
Das stört mich, nicht nur, weil es eigentlich gar nichts erklärt, sondern auch deshalb, weil ich ja nicht mal genau verstehe, weshalb ich so bin, wie ich bin. Geschweige denn andere Leute.
Ja, Ben, sicher wird das oft verkürzt dargestellt, aber das ist immer noch besser als gar nichts, denn sonst kann man sich alles Mögliche dazudenken, und wer gibt sich schon mit reinen Vermutungen zufrieden? - außer natürlich Unbedarften, die sich immer freuen, daß das Gute wieder gesiegt hat. ;)

Es ist unbestritten, daß unser Handeln und Streben in großen Teilen in unserer frühen Kindheit begründet liegt, die uns aber selbst leider verschlossen ist – nur in Ausnahmefällen können wir uns an Dinge erinnern, die im Alter von 0 bis 3 Jahren passiert sind. Und doch waren wir da nicht tot, ganz im Gegenteil, wir registrierten da jede Kleinigkeit, ja mehr noch, diese Dinge sind prägend für uns gewesen, vielleicht so sehr, daß sie ganz ein Teil von uns geworden und wie Herz oder Lunge oder andere Organe nur nicht zu sehen sind.

Und wie diese Organe ihre Existenz nur indirekt zeigen können (Herzschlag, Atmung, Ausscheidung), so zeigen sich diese unter der Oberfläche des Bewußtseins versteckte Erinnerung nur mittelbar durch unser Verhalten. Und wie zum Beispiel ein Tuberkelbakterium nicht bei jedem Menschen automatisch Tuberkulose auslöst, wird auch nicht jedes Kind durch den Tod eines nahen Verwandten automatisch traumatisiert. Trotzdem kann das passieren, ja sogar ganz unschuldige, alltägliche Dinge können unter bestimmten Konstellationen traumatische Folgen haben.

Das ist sicher nicht der Ort, über Solches zu diskutieren, aber wenn man das soeben Gesagte in Betracht zieht, dann ist es für einen Autor sicher von Vorteil, wenn er während oder am Ende einer Geschichte im Leser ein Psychogramm des Prot und der Hauptfiguren entstehen läßt, denn dann bleibt die Geschichte nicht im Ungefähren und der Leser ist, wie bereits gesagt, nicht auf Vermutungen angewiesen, d.h. er zimmert sich u.U. eine Geschichte zurecht, die gar nicht erzählt worden ist - das kann nicht im Sinne des Autors sein, und auch nicht des Rezepienten.

 

Guten Morgen.

Danke an BERG.
In meiner Eigenschaft als Harris-Verehrer habe ich mich stets gefragt, warum ich zum Teufel jedes seiner Bücher mindestens 10 Mal gelesen habe. Dank deiner treffenden Analyse von Stil und Kniffen der SChreibe Harris`bin ich dem nun ein Stück näher.

Ich gebe zu, ich hatte HANNIBAL RISING drei minuten nach Erscheinung, am 6. Dezember um kurz nach Mitternacht; mein Buchdealer brachte es mir, der nette Kerl, nachdem er es auf Personalkauf geschnappt hatte.

 

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