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Wenn mein Baby kommt

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09.06.2017
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Wenn mein Baby kommt

Als Leander heimkam, hatte er einen Brand. Das nasse Hemd klebte ihm am Rücken. Eine Stunde auf der A5 festgesteckt, die Bushido-CD gekillt— er war bedient.
„Hast du wieder geraucht?“, fragte sie.
Und wenn schon.
Er knallte das Notebook in die Ecke und riss die Kühlschranktür auf.
Das Licht war immer noch kaputt.
„Ich hab hier Pils reingestellt. Wo ist das?“
Denise servierte Avocado-Thunfisch-Salat.
Er ließ sich auf seinen Platz fallen.

„Arno wird Teamleiter.“
„Ist das gut oder schlecht?“, zirpte sie.
„Das einzige, was der kann, sind Gantt-Diagramme. Aber mit den Leuten in der Produktion reden oder was arbeiten, das kann der nicht."
Arno, was ein Speichellecker.
Leander wusste, wer arbeiten konnte und wer nur so tat als ob. Er war sich nicht zu schade, einen von den Hilfsarbeitern anzubrüllen, wenn es sein musste. Es war die einzige Sprache, die diese Sonderschüler verstanden. Dem Chef gefiel das nicht.
Leander kratzte sich unter dem Arm.
"Noch irgendwo Bier?“

Es war immer da. Saß wie ein stummes Gespenst mit am Tisch.

Das Telefon läutete. Denise schaute aufs Display, dann klickte sie den Anruf weg.
Lass mich doch, Anna, dachte sie. Du mit deinen Zwillingen, ach so süß.
Heute war Denise' freier Tag im Sanitärfachgeschäft. Sie hatte ihn genutzt.
Das Walnussbaguette war kross, die Meersalzbutter delikat. Auf den Villeroy & Boch-Tellern thronten Gambas an Safranreis — wertvolles Protein.
Alkohol war Gift. Sein Pils hatte sie heute Mittag weggeschüttet.
Den Karottensaft hatte Denise mit Ananas und Orange aufgepeppt, alles versucht, aber die Karotte war immer noch herauszuschmecken.
Leander ließ das Glas stehen.

Mit dem Dessert hatte sie sich selbst übertroffen: Sahnecreme mit einem Hauch von Mokka. Während er es in sich hineinschaufelte, stellte sie sich hinter ihn und massierte seine knotigen Schultern.
Das Negligée hatte sie über dreihundert Euro gekostet, war quasi ihre Investition in die Zukunft, und Gott sei dank überprüfte er ihre Kreditkartenabrechnungen nie. Leander sah zur Uhr. Sie schlang ihre Arme um seine Schultern und knabberte an seinem Ohr.
„Komm mal mit“, schnurrte sie. „Ich muss dir was zeigen.“

Er zog die Nase hoch und verschwand ins Bad. Auch gut.
Denise räumte den Geschirrspüler ein und verstaute die Essensreste, in Tupperdosen verpackt, im Kühlschrank.
Dann zündete sie die Kerzen im Schlafzimmer an und wartete.
Er kam nicht.

Sie ging ins Gästeklo und pieselte auf einen Streifen. Seit einem Jahr kaufte sie die Tests nicht mehr im Internet, sondern nur noch aus der Apotheke. Immer noch positiv. Na also.
Um neun ging sie ins blauflackernde Wohnzimmer, fand Leander auf dem Sofa schnarchend. Die Kommissarin befragte Zeugen im orangegekachelten Hallenbad. Denise schaltete den Fernseher aus, kniete auf dem Boden und pustete ihm ins Ohr. Jetzt war Raffinesse gefragt, denn morgen wäre zu spät.
Sie strich ihm über den Arm und flüsterte: „Lass uns ins Bett gehen.“
Leander hatte seine Hose geöffnet. Sein Bauch quoll über den Bund, er hatte im letzten Jahr zugelegt. Aus seiner Nase wuchsen Haare.
Es war jetzt nicht wichtig.

Denise zog ihn an den Armen.
„Herrgott, lass jetzt“, knurrte er. „Hatte einen anstrengenden Tag, ja?“
Sie spürte einen Knoten im Hals. „Es geht nur noch heute. Ganz kurz.“
„Komm, hör auf mit deinem Rumgeheule.“
Er wälzte sich vom Sofa und taumelte davon.
„Gott verdammt“, hörte sie ihn brüllen.
Sie folgte ihm in den Flur und sah die Flammen aus dem Schlafzimmer dringen.
Leander rannte los, stolperte über seine herabrutschende Hose und füllte den gelben Plastikeimer mit Wasser.

Das Schlafzimmer war verräuchert, das Ehebett schwarz. So legten sie sich zu zweit auf das große Ecksofa im Wohnzimmer.
Leander kam schnell und stieß sie wund. Ihr Negligée riss links neben der Naht auf. Denise legte sich ein Kissen unter den Po und lag noch lange wach, lauschte mit rotgeränderten Augen durch die geöffnete Balkontür nach draußen. Die Mücken stachen in dieser Sommernacht erbarmungslos zu.
Wenn erst ihr Baby käme, würde alles anders werden.
Irgendwo draußen schrie ein Tier.

 

Hej Anne49,

es ist, als würdest du ein Gerüst liefern und die Masse nachrüsten.

Deine zurückhaltende Sprache in diesem Fall irritiert mich im Kontrast zu scheinbar nebensächlichen, explizit beschriebene Details wie Kleidung und Essen. So denke ich die ganze Zeit nach, was ich d übersehe, was interpretiert werden soll damit.

Mir macht es nichts aus, wenn die Protagonisten unsympathisch oder "doof" sind. :shy: Ich versuche dennoch an sie heranzukommen, ihre Welt mit ihren Augen zu sehen. Im Grunde finde ich diese Konstellation am spannendsten. Und so habe ich den Eindruck, dass es mir in diesem Fall an Informationen mangelt, oder ich eben welchen bekomme, die ich nicht zuordnen kann. S.o.

Ich bin gespannt, wie sich diese Geschichte noch entwickelt.

Freundlicher Gruß, Kanji

 

Hallo Anne,

so, wie die Geschichte jetzt ist, finde ich sie noch sehr unstrukturiert, ich wurde öfter rausgeworfen, weil ich teilweise nicht wusste, wer jetzt spricht oder wer sich wo befindet.

Schon am Anfang war ich irritiert, als es hieß: "... fragte sie mit dieser piepsigen Stimme ..." Da würde ich ihren Namen schreiben, denn erst dachte ich, da spricht Leander und bin nochmal zum Anfang zurück, um mich zu vergewissern, dass es nicht vielleicht doch "Leandra" war.

Um bei den Namen zu bleiben, finde ich "Leander" unpassend für den Typen, den Du beschrieben hast. Das klingt mir zu edel für diesen Orang Utan. ( Schönes Bild, als er sich unter dem Arm kratzt.) Ein Bruch in seiner Persönlichkeit müsste mMn schon rein, denn momentan sind Leander und Denise noch reine Stereotypen und keine Menschen für mich, aber der Bruch sollte vielleicht eher im Handeln oder Denken vollzogen werden, nicht durch den Namen. Also sie ist so'ne hirnlose Tussi mit Porzellangesicht und piepsig-zirpender Stimme und er ein ebenso hirnloser und brutaler Proll, der nur rumholzt. In jeglicher Hinsicht. Das könnte vielleicht in einer Satire funktionieren, aber es ist ja keine, also bräuchte ich schon einen Anhaltspunkt, um die Figuren zu verstehen. Sie müssen nicht unbedingt sympathisch sein, aber irgendwas haben, das sie nachvollziehbar macht, vielleicht ein paar Sehnsüchte, so dass ich sie zumindest als echte Menschen wahrnehmen kann, auch wenn ich sie nicht mag.

Hier noch ein paar Sachen, die mir aufgefallen sind und mich immer wieder aus dem Text rausgeworfen haben.

1) Den Einschub mit dem Sanitärfachgeschäft finde ich überflüssig, weil es für den Verlauf der Geschichte unwichtig ist, was Denise beruflich macht.

2) Der Übergang vom Sanitärfachgeschäft zur Beschteibung ihres Äußeren klingt unelegant in meinen Ohren. Hab mich kurz gefragt, ob hier eine ganz neue Person eingeführt wird.

3) "Es war immer da. Saß wie ein stummes Gespenst mit am Tisch."
Hier habe ich gedacht, da kommt noch was, denn so habe ich den Satz nicht begriffen. Was war immer da? Der Kinderwunsch? Die grausame Stimmung? Ich denke, hier solltest Du etwas mehr ins Detail gehen oder den Satz im Verlauf nochmal aufgreifen. So verstehe ich ihn nämlich nicht, aber vielleicht geht das nur mir so.

4) Die beiden Absätze, in denen Du Leanders und Denises Gedanken zeigst - "Arno war ein Speichellecker ..." und: " Das Negligee hatte sie 389€ gekostet ..." wirken auf mich etwas isoliert vom restlichen Text. Wahrscheinlich wolltest Du die beiden damit charakterisieren, aber auf mich wirken sie unpassend an der Stelle, weil es so eingeschoben wird, ohne, dass Arno oder die 389€ noch eine weitere Bedeutung im Text haben.

5) Der Übergang von: "Ich muss dir was zeigen" zu: "Er zog die Nase hoch."
Da dachte ich zunächst, die Negligee-Frau ist eine Phantasie von Leander, denn plötzlich räumt Denise die Spülmaschine aus.

6) Dass sie die Streifen nicht mehr im Internet kauft, ist mMn auch überflüssig.

Also wenn ich das richtig verstanden habe, will sie ihn verführen, weil sie schwanger werden will, aber vorher hast Du geschrieben, der Test wäre positiv. Dann ist sie doch schon schwanger. Oder habe ich da was überlesen?

Zum Schluss brennt es, aber das passiert nur so nebenbei, dann macht Denise sich Gedanken darüber, dass Alkohol Gift ist.

Liebe Anne,

wenn Du den Text strukturieren würdest, überflüssiges rauswerfen oder eleganter einbinden würdest und den Figuren eine menschliche Seite gibst, die sie aus der Karikaturenecke holt, könnte das eine recht unterhaltsame Geschichte werden. So, wie sie jetzt ist, funktioniert sie für mich leider noch nicht.

Viele Grüße,

Chai

 
Zuletzt bearbeitet:

Liebe Anne49,

da wirst du ganz unschuldig geboren, machst deine süßen Kulleraugen auf, und dann ... lächeln diese Leute dich an und sind deine Eltern.
Wenn sie denn lächeln, bei Leander bin ich mir nicht sicher.

Ich habe deine Geschichte gerne gelesen, wenn ich auch eine Weile gebraucht habe zu kapieren, was genau sie will mit all ihrem Eiweiß und Bier verschwinden lassen (trotz des Titels, Sommerdemenz :-).
Aber der Typ ist dermaßen unsympathisch beschrieben, dass es mir schwer fällt zu glauben, irgendwer auf diesem Planeten möchte ausgerechnet von ihm ein Baby ... Da kann ich ihr so wenig folgen, dass ich von sehr weit weg auf sie schaue wie auf einen Käfer in der Becherlupe.
Diese trügerische Hoffnung allerdings, der Glaube, ein Baby könne Beziehungen verbessern oder dem Leben - das vorher keinen hatte - einen Sinn geben, es hätte diesen als Mitbringsel dabei, die gibt es definitiv und ist für alle Seiten, Eltern wie Kind, fatal. Das hast du durch die Art und Weise deiner Beschreibung gut rübergebracht.

Also mir gefällt's,

Eva

P.S. Nichts gegen Käfer, sie haben nur nicht meinen Humor.

 

Hallo Bas, Kanji, Chai und Eva Luise Groh,

danke vielmals für Eure Kommentare!!!

Ich weiß, der Text kommt ungelenk daher und spröde.
Eigentlich ein Experiment. Oder eine Zumutung ...
Immerhin ist er kurz.

Na ja, und wie Kanji ganz richtig bemerkt hat, ist er rätselhaft.
Welchen Test Denise macht, habt Ihr - Gott sei Dank - herausbekommen.
Und wer das stumme Gespenst am Tisch ist, hoffentlich auch.
Eva Luise Groh, du hast es ganz toll mit dem Blick auf die Käfer in der Becherlupe beschrieben. Überhaupt hast du den Nagel auf den Kopf getroffen. Denise ist tatsächlich so verzweifelt, dass sie sogar von einem Widerling wie Leander ein Baby will. Hauptsache, endlich schwanger. Nein, ich wollte nicht in der Haut des Babys stecken. Und dass Denise hinterher glücklicher wäre, glaube ich auch nicht.
Chai, du schreibst, dass es ja keine Satire ist und dass ich die Figuren aus der Karikaturenecke rausholen soll. Hm, vielleicht möchte ich aber gerade da hin. Weiß nur leider nicht, wie ich das verschärfen kann. Also, ein Wohlfühltext soll es jedenfalls nicht sein!

Für den Titel habe ich sehr lange gebraucht.
Davor gab es Arbeitstitel wie "Verführung, 2. OG li" und "Ovulation".
Der aktuelle Titel wurde es dann wegen der darin enthaltenen Doppeldeutigkeiten. Ideen nehme ich gerne entgegen ... ;)

LG, Anne

 

Liebe Anne49,

du bist neu hier im Forum und deinen Kommentaren und deinem Profil entnehme ich, dass es dir ernst ist mit der Schreiberei und du dich verbessern möchtest. Und so sieh auch meine folgenden Bemerkungen: Sie sollen dir eine Außensicht deiner Geschichte vermitteln, eine subjektive Betrachtung.

Deine Geschichte verwirrt mich in stilistischer und auch in inhaltlicher Hinsicht.

Zum Stil:
Ich verstehe, dass du verknappen möchtest: das Geschehen, die Personencharakterisierung, die Sprechakte – alles soll auf das wirklich Notwendige beschränkt werden. Das gelingt dir in der Regel, aber leider nicht immer. Für mein Empfinden nimmst du auch unwichtige Nebensächlichkeiten (Gantt-D., Tupperdosen, Sanitätsfachgeschäft usw.) auf, die der Geschichte nicht viel bringen. Da würde ich noch mal mit dem Rotstift durchgehen und mich fragen: Was bringen die von mir erwähnten Einzelheiten der Handlung bzw. der Charakterisierung der Personen?

Schwierigkeiten hatte ich hin und wieder bei der Zuordnung dessen, was der eine oder andere der beiden denkt. Du wechselst manchmal unvermittelt vom einen zum anderen, mal betrachte ich die Szene aus Denises Perspektive, mal aus Leanders. Das ist schon in Ordnung, wenn es dir darum geht, die Unterschiedlichkeit der beiden und ihrer Gedankenwelten zu kennzeichnen, manche Stellen müssten für mein Empfinden nur noch ein wenig klarer zuzuordnen sein.

Leander kam um sieben heim, die braungrüne Krawatte schief, das helle Hemd halb aus der Anzughose.
„Hast du wieder geraucht?“, fragte sie mit dieser piepsigen Stimme, die er so an ihr hasste.
Er knallte den Notebook-Rucksack in die Ecke, stampfte zum Kühlschrank und riss die Tür auf. Das Licht war immer noch kaputt. „Ich hab hier Pils reingestellt. Wo ist das?“
Denise betrachtet hier Leander: schiefe Krawatte, Hemd aus der Hose. Dann wechselt die Perspektive zu Leander. ‚piepsig’, so empfindet er die Stimme seiner Frau.

Er fläzte sich auf den Platz. „Arno wird Teamleiter.“
‚fläzen’: So sieht das Denise.

„Ist das gut oder schlecht?“, zirpte sie.
‚zirpen’ = Leander

Grundsätzlich finde ich so ein Hin und Her ganz gut, um eine Ehesituation zu beschreiben, allerdings kann ich Stellen wie die folgenden dann nicht so recht zuordnen:

I

hre dunkelbraunen Haare umrahmten ihr porzellanfarbenes Gesicht. Gleich einer schillernden Libelle umschwirrte sie ihn und servierte auf Villeroy & Boch Tellern. Den Karottensaft hatte sie mit Ananas und Orange aufgepeppt, aber die Karotte schmeckte immer noch vor.
Leander ließ das Glas stehen.
Das Walnussbaguette war kross, die Meersalzbutter delikat. Die Gambas auf Safranreis enthielten wertvolles Protein.
Wer denkt oder empfindet hier eigentlich?

Der von dir so charakterisierte Leander?

Er fläzte sich auf den Platz. „Arno wird Teamleiter.“

Er kratzte sich unter dem Arm. "Noch irgendwo Bier?“

Und wer spricht hier:

‚Es war immer da.’

Die Wartung der Rauchmelder war zu teuer gewesen.

Solche Stellen hängen für mich – so wie ich sie lese – im leeren Raum. Mir kommt es so vor, als hättest du dich bei der Erzählperspektive nicht ganz eindeutig zwischen einem auktorialen und zwei personalen Erzählern entscheiden können. Irgendwie scheint mir dein Text eine nicht ganz zu Ende gedachte Mischung verschiedener Perspektiven zu sein.

Auch bei der Charakterisierung von Denise habe ich Probleme. Mal abgesehen davon, dass ich ‚piepsig’, ‚zirpen’ ‚flötete’ als Wahrnehmung einer Stimme zwar nachvollziehen kann, diese Wörter mir aber in dem ernsten Zusammenhang als unpassend erscheinen, habe ich mich gefragt, was Denise eigentlich für eine Frau ist bzw. wie du sie darstellen möchtest.
Sie ist ein gute Köchin und Hausfrau (Gambas, Kühlschrank penibel einräumen), sie betrachtet ihren Mann kritisch und findet ihn eigentlich nicht mehr attraktiv (‚Sein Bauch quoll über den Bund, er hatte im letzten Jahr zugelegt. Aus seiner Nase wuchsen Haare.’). Sie möchte ein Kind, um ihre Situation zu verändern (s. Schluss). Viel mehr erfahre ich nicht über sie. Das ist mir insgesamt zu wenig. Und das Wenige ist mir leider zu plakativ. Ich finde hier kein Individuum, das sich von den vielen Frauen, die sich in einer ähnlichen Situation befinden, in irgendeiner Form unterscheidet. (Ähnlich geht es mir übrigens auch mit Leander.) Beiden Personen täte für mE ein bisschen mehr Kontur gut. So sind sie sehr nahe am Klischee.

Zum Inhalt:

Dann zündete sie die Kerzen im Schlafzimmer an und wartete.
Er kam nicht.

Sie wiederholte den Test, und er war wieder positiv. Seit einem Jahr kaufte sie die Streifen nicht mehr im Internet, sondern nur noch in der Apotheke.
Um neun ging sie ins blauflackernde Wohnzimmer.


Sie geht ins Schlafzimmer, zündet die Kerzen an, wartet, macht den Test, der positiv ist.
Hier habe ich gedacht: Das ist die Auflösung. Der Schwangerschaftstest ist positiv, sie hat etwas mit einem anderen gehabt und möchte Leander die Vaterschaft anhängen. Aber das stellt sich als falsch heraus, denn später wird sie schniefen und sagen:
„Es geht nur noch heute. Ganz kurz.“

Was hat es also mit diesem positiven Test auf sich? Wenn es sich um ihren Eisprung handelt, müsstest du das anders darstellen.

Was danach kommt, halte ich für recht konstruiert: Die brennenden Kerzen, der nicht gewartete Rauchmelder – und schon brennt es. Aber halb so schlimm:

Das Schlafzimmer war verräuchert, das Ehebett schwarz. Sie legten sich zu zweit auf das große Ecksofa im Wohnzimmer. Leander kam schnell und stieß sie wund.

Fazit:

Du solltest für mein Empfinden eine klarere Erzählperspektive wählen. Die Handlung würde ich stärker auf die kleine Szene zwischen den beiden beschränken, unwichtige Details streichen und dir vielleicht eine andere Zwischenhandlung ausdenken. Das kleine Brand-Szenarium halte ich für recht konstruiert.

Ich finde nämlich den Grundgedanken deiner Geschichte richtig gut: diese Alltagstristesse, in der die beiden sich befinden und eigentlich nebeneinander herleben, ihre ganz verschiedenen Vorstellungswelten. Er, der sich damit auseinandersetzen muss, dass man ihm jemand vor die Nase gesetzt hat, sie, die sich aus ihrem Alleinsein durch ein Kind retten möchte. Das ist schon sehr interessant.

Auch deshalb finde ich den Schluss deiner Geschichte sehr gelungen:

Leander kam schnell und stieß sie wund. Ihr Negligée riss links neben der Naht auf. Denise legte sich ein Kissen unter den Po und lag noch lange wach, lauschte mit rotgeränderten Augen durch die geöffnete Balkontür nach draußen. Die Mücken stachen in dieser Sommernacht erbarmungslos zu.
Wenn erst ihr Baby käme, würde alles anders werden. Irgendwo draußen schrie ein Tier.

Solch tolle Stellen hätte ich mir mehr gewünscht. Vielleicht hättest du den gesamten Text nur aus Denisens Warte schreiben sollen?

Noch ein paar Anmerkungen:

Zwiebel(geruch) lag in der Luft.

Montags bis mittwochs arbeitete Denise im Sanitärfachgeschäft,
Wo Denise arbeitet ist mMn nicht wichtig.

Das Negligée hatte sie 389 Euro gekostet, war quasi ihre Investition in die Zukunft, und Gott sei dank überprüfte er ihre Kreditkartenabrechnungen nie.

Ich glaube, hier übertreibst du zu sehr. Es würde für mein Empfinden reichen, wenn du sagtest:
Das sehr teure (und aufreizende) Negligée war quasi …

Er zog die Nase hoch und verschwand Richtung [ins] Bad.

Sein Pils hatte sie heute mittag (Mittag) weggeschüttet.

Liebe Grüße
barnhelm

 
Zuletzt bearbeitet:

Hey Anne49,

hier wurden ja schon einige Punkte aufgezählt. Deine Geschichte hat sich flüssig lesen lassen und du bringst die Stimmung, wie beide nebeneinander her leben und völlig unterschiedliche Vorstellungen haben, gut rüber. Ich kann mir zwar schwer vorstellen, dass die Frau mit diesem "knurrenden" Mann überhaupt zusammen bleiben und dann auch noch ein Baby bekommen will. Solche Frauen scheint es aber leider tatsächlich zu geben. Deshalb finde ich die abstossende Beschreibung von Leander nicht allzu störend, dadurch steht er in gutem Kontrast zu Denise. Wobei ihm irgendeine sympathische Kleinigkeit meiner Meinung nach nicht schaden würde, damit man als Normalsterblicher ein bisschen nachvollziehen kann, warum die Protagonisin nicht schnellst möglich das Weite sucht. Vielleicht könnte er, wenn ihn schon das mühsam gekochte Essen und das betörende Outfit nicht die Bohne interessieren, wenigstens nicht auch noch so knauserig sein. Würde eigentlich ganz gut passen - er könnte mit Geld versuchen auszugleichen, dass ihm sonst alles schnuppe ist.

"Es war immer da. Saß wie ein stummes Gespenst mit am Tisch."

Den Teil könntest du meiner Meinung nach noch ein bisschen ausbauen bzw. etwas konkreter werden.

Dass du scheinbar unwichtige Sätze mit wichtigen vermischst, gefällt mir eigentlich gut.
Insgesamt habe ich deine Geschichte sehr gerne gelesen und bin gespannt, was du noch daraus machst.

Lieber Gruß
Lena

 

Hi LenaZi,

vielen Dank für deinen Kommentar. :)

Deshalb finde ich die abstossende Beschreibung von Leander nicht allzu störend, dadurch steht er in gutem Kontrast zu Denise. Wobei ihm irgendeine sympathische Kleinigkeit meiner Meinung nach nicht schaden würde, damit man als Normalsterblicher ein bisschen nachvollziehen kann, warum die Protagonisin nicht schnellst möglich das Weite sucht. Vielleicht könnte er, wenn ihn schon das mühsam gekochte Essen und das betörende Outfit nicht die Bohne interessieren, wenigstens nicht auch noch so knauserig sein. Würde eigentlich ganz gut passen - er könnte mit Geld versuchen auszugleichen, dass ihm sonst alles schnuppe ist.

Denise soll eigentlich auch nicht sympathisch wirken, trotz all ihres Kummers. Die Gedanken, die ihr durch den Kopf gehen, als Anna anruft, sprechen jedenfalls für sich. Klar neidet sie Anna das Zwillingskind, aber immerhin hat Anna auch ein Zwillingskind verloren. Ich weiß auch nicht, was mich geritten hat, dass ich sie so unsympathisch zeichnen wollte. Vielleicht ändere ich das auch noch. Grundsätzlich habe ich viel Mitgefühl mit diesen Frauen, deren Kinderwunsch sich nicht erfüllt. So etwas ist extrem belastend.
Leander habe ich gar nicht als geizig gesehen, immerhin kontrolliert er ihre Kreditkartenabrechnungen nicht. Wer von den beiden entschieden hat, die Rauchmelder nicht zu warten, bleibt ja offen.

"Es war immer da. Saß wie ein stummes Gespenst mit am Tisch."
Den Teil könntest du meiner Meinung nach noch ein bisschen ausbauen bzw. etwas konkreter werden.

War eigentlich als plakativer Satz gedacht, steht ja auch in einer Extrazeile. Irgendwie wollte ich es rätselhaft erscheinen lassen, so dass der Leser sich fragen muss, wer denn das Gespenst ist.

Dass du scheinbar unwichtige Sätze mit wichtigen vermischst, gefällt mir eigentlich gut.

Witzig, dass du das schreibst, genau das wird ja von einigen auch als negativ gesehen. So unterschiedlich empfinden die Leser das!

LG, Anne (die nach einem langen Arbeitstag echt platt ist)

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo noch mal Anne49

unsympathisch finde ich deine Protagonistin nicht, sie gibt sich ja mit allem Mühe. Ok, außer dem Satz mit dem toten Baby, aber mir kommt sie eben sehr verzweifelt vor. Wie du auch, habe ich eher Mitleid mit ihr.

Von Leander denke ich immer gleich das schlechteste. Deshalb war er für mich natürlich zu geizig für die Wartung des Rauchmelders und es würde selbstverständlich ein riesen Theater geben, würde er die Kreditkartenabrechnung kontrollieren. :D Aber du hast Recht, geschrieben hast du das nirgends.

Noch mal lieber Gruß :)
Lena

 

Version 2 ist online.

Nochmal danke für all Eure Kommentare, Ihr seid die Besten! :)
Ich hoffe, ich habe es zumindest nicht verschlimmbessert ... :shy:

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Hallo barnhelm,

dein ausführlicher Kommentar hat mich sehr gefreut.

Tupperdosen und Sanitätsfachgeschäft sind zwar noch drin, aber die entsprechenden Sätze sind jetzt deutlich kürzer.
Tupperdosen symbolisieren für mich so eine Art Hausfrauchentristesse, ach, da krieg ich Brechreiz. (Hatte mal ein traumatisches Erlebnis auf einer Tupperparty, die einzige, auf der ich jemals war ...) Also, das musste irgendwie rein. Und im Sanitärfachgeschäft verkauft Denise natürlich ... Kloschüsseln. Na ja. Nicht nur.

Mit der Perspektive, das Problem war mir unterschwellig schon klar, dass das etwas nicht funktioniert. Es sollte eine kleine Schreibübung sein, bewusst kurz gehalten, und ich wollte auktorial erzählen. Ich wollte etwas ganz anderes machen als mit der Ich-Erzählerin in "Kirchenschatten" und habe herumexperimentiert. Aber es ist wohl doch besser, dabei den Text zu strukturieren, dem Leser zuliebe. Sonst ist es zu verwirrend, das sehe ich jetzt ein. Der allwissende Erzähler darf eben doch nicht alles. Tja, und es sollte möglichst unromantisch sein.

Ich hab jetzt sortiert: Erst kommt ein kleines Stück Leanders Perspektive. Dann der plakative, isolierte Gespenstersatz in kursiv. Und abschließend ein längeres Stück Denises Perspektive.

Wer den Gespenstersatz alles denkt, weiß ich, ehrlich gesagt, nicht. Beide? Der allwissende Erzähler? Oder doch vor allem Denise, deren Gedanken ja nur noch um das Baby kreisen, das einfach nicht kommen will.

Die Denise näher charakterisieren. Hm, da hast du ja Recht. Ich wollte einen kurzen Text schreiben. Ich wollte es auch schemenhaft lassen. Wenn ich anfange, mich intensiv mit ihr zu befassen, dann bricht es mir das Herz. Eigentlich tut sie mir nämlich wirklich leid. Also, ich sehe schon, was du meinst. Vielleicht fällt mir noch etwas zu ihr ein. Leander habe ich mit der Bushido-CD noch versucht, etwas zu charakterisieren. Nicht gerade zu seinem besten, fürchte ich. (Bushido-Fans bitte weghören.)

Der Test ist ein Ovulationstest. Ich weiß, Leser, die das nicht kennen, stutzen. Aber ich will es auch nicht mit der Holzhammermethode erklären müssen. Ich verstehe auch manchmal Texte nicht. Ist halt so.

Der Rauchmelder ist raus. Ja, das Brand-Szenarium. Ich weiß, dass es das eigentlich nicht braucht. Da hast du ja Recht. Die Story gibt auch so schon genug her. Aber irgendwie brauche ich das. Das macht die ganze Szene für mich noch viel irrwitziger. Denn Denise ist ja am Ende zufrieden. Das ruinierte Schlafzimmer ist ihr schnurz. Sie hat für heute bekommen, was sie wollte. Wie es weitergeht, wird sie frühestens in zwei Wochen wissen.

Hab mich gefreut, dass dir wenigstens die letzten Sätze gefallen haben.

LG, Anne
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Hallo Bas,

dass etwas vorschmeckt, die Formulierung kenne ich so.

Die Analphabeten und der Rauchmelder sind raus, ebenso die rotschwarze Spitze. Den Ovutest macht sie jetzt im Klo. Hoffe, es ist jetzt klarer so.

"Hab" geht auch ohne Auslassungszeichen, oder? Muss ich irgendwann nochmal nachschauen ... Das fehlende "sie" ist ergänzt!

LG, Anne
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Hallo Chai,

ich kann das, was du zu den Vornamen gesagt hast, gut nachvollziehen.
Beide Vornamen finden bestimmt viele Leute poetisch, ich persönlich finde sie grauenhaft.

Aber für mich heißen die beiden nun einmal jetzt so. In dem Stadium kann ich sie nicht mehr umbenennen. Die Namen setzen sich bei mir im Schreibprozess immer schon früh fest. Vielleicht mag ich auch diesen Widerspruch zwischen dem schönen Klang ihrer Namen und ihrem nüchternen Wesen.

Du fandest es unwichtig, aber Denise kauft jetzt in ihrer Verzweiflung extra die teureren LH-Teststtreifen aus der Apotheke und nicht mehr die billigen aus dem Internet. Damit lassen sich die fruchtbarsten Tage, der Eisprung, bestimmen. Ich glaube, da kann diese Frau sich ziemlich reinsteigern, dass es ja vielleicht doch einen Unterschied machen könnte und frau doch lieber noch fünf Euro mehr ausgibt, nur um ganz sicher zu gehen.

LG, Anne

 

Hallo Anne49

Anne49 schrieb:
Ich hoffe, ich habe es zumindest nicht verschlimmbessert ...

Nein, hast du ganz und gar nicht. :thumbsup:

Liebe Grüße
barnhelm

 

Bas, Meister der Motivation. Du gehst mit mir um wie Leander mit seinen Hilfsarbeitern. Nur wesentlich subtiler.

Danke für das Heraussuchen des Tippfehlers. Habe ihn heute Nacht korrigiert. Da hatte ich dazu Zeit. Ich könnte ja jetzt behaupten, das laute Gewitter hätte mich vom Schlafen abgehalten.

Das Zwillingskind möchte ich grammatikalisch im Neutrum ("das eine", "das andere") belassen, genau wie die Ttitelfigur der Geschichte.

Es tut mir leid, dass dir meine Lernkurve nicht steil genug verläuft.

Was genau an dem Wort Schreibanfänger verstehst du nicht?
Genau genommen bin ich nur Schreibanfänger im Bereich Fiktion. Dieser iterative Prozess, einen Text liegenlassen, wieder überarbeiten, liegenlassen, wieder überarbeiten usw., der ist mir geläufig.

Bei diesem Text hier habe ich, denke ich, alle Signale ausgesandt:
Ich habe mich an einem Genre versucht, das ganz klar nicht meins ist.
Habe meinen Text selbst als Experiment bezeichnet und ihn bewusst kurz gehalten.

Ich wollte ein paar Dinge austesten, mit der Perspektive spielen. Hätte ich dazu ins Korrektur-Center gehen sollen? Oder lieber in einen Volkshochschulkurs?

Ich wäre mit diesem Text nicht weitergekommen, wenn ich noch wochenlang alleine darauf herumgebrütet hätte. Mir war klar, dass ich dafür die Rückmeldungen der Wortkrieger brauche.

Im übrigen zwingt dich niemand dazu, dich jedes Mal als erster auf meine Texte zu stürzen.

Dein Kommentar klingt für mich am Ende wie eine Warnung, hier einen Text einzustellen, der nicht druckreif ist.

Leander ist übrigens ebenfalls fest davon überzeugt, dass er seine Arbeiter auf diese Weise motiviert.

LG, Anne

 

Danke, Bas.
Es ist alles eine Kunst.
Das Schreiben. Das Kritisieren. Und das Annehmen der Kritik.

 

Hallo Anne49,

ich hatte deinen Text anfangs schon einmal gelesen und finde er hat sehr gewonnen. Das ist eine Skizze. Eine kaputte Ehe, zwei jämmerliche Existenzen und sie glaubt, dass ein Kind alles bringen wird, was ihr fehlt. Ich bin zur Zeit gerade sehr für Redundanzen sensibilisiert und lasse dich mal teilhaben. ;)

Er knallte den Notebook-Rucksack in die Ecke und riss die Kühlschranktür auf. Das Licht war immer noch kaputt.

Schönes Detail.

fragte sie mit dieser piepsigen Stimme, die er so an ihr hasste.
Und wenn schon.

Ich finde es besser ohne den fettgedruckten Satz, weil du das schon durch seine Reaktion und durch sein weiteres Verhalten gut ausdrückst. Alternativ würde ich eher seine körperliche Reaktion auf ihre Stimme beschreiben. Etwas problematisch finde ich auch, dass du mit seiner Perspektive startest und dann in ihre wechselst. Du kehrst auch nicht mehr zu ihm zurück. So wirkt der Anfang fast wie ein Versehen.

Denise stellte ihre Ohren auf Durchzug und servierte Avocado-Thunfisch-Salat.

Könnte auch weg.

„Das einzige, was der kann, ist Gantt-Diagramme malen. Aber mit den Leuten in der Produktion reden oder was arbeiten, das kann der nicht."

Schön!

Es war immer da. Saß wie ein stummes Gespenst mit am Tisch.

Eine Fehlgeburt? Das Wunschkind? Ich bin unsicher, weil es nur einmal auftaucht. Ich würde mir wünschen, dass diese Art noch mal aufgegriffen wird. Vielleicht könntest du den letzten Satz auch kursiv schreiben, nur als Idee.

Lass mich doch, Anna, dachte sie. Du mit deinen Zwillingen. Das eine drei Tage nach der Geburt gestorben und das andere ach so süß.

Hier machst du für diese kurze Geschichte nochmal ein sehr dickes Fass auf. Ich glaube, das ist mir zu viel.

Den Karottensaft hatte sie mit Ananas und Orange aufgepeppt, alles versucht, aber die Karotte schmeckte immer noch vor.

Interessant, den Ausdruck "vorschmecken" kenne ich so gar nicht. Ich würde "durchschmecken" sagen. Aber das sind sicher regionale Unterschiede. Fiel mir nur auf.


Die verzweifelte Art, wie sie versucht ihn zu verführen, hast du sehr schön ekelig beschrieben. Er ist furchtbar, aber sie ist auch furchtbar. Und den Geschlechtsakt, nachdem das Schlafzimmer halb abgebrannt ist, möchte ich mir auch nicht vorstellen. Die Andeutungen reichen schon.

Die Mücken stachen in dieser Sommernacht erbarmungslos zu.

Mein Lieblingssatz.

Ich bin schon gespannt auf weitere Geschichten von dir. :)

Liebe Grüße von Chutney

 

Hi Chutney,

bei dem, was ich bis jetzt von dir gelesen habe (Cyclophosphamid und Geh beichten ... ), hab ich gedacht, ach Mensch, das hätt ich gerne selbst geschrieben. :D

Also freut es mich sehr, dass du mein Baby kommentiert hast.

Mit den Redundanzen sagst du was. Deine drei Streichkandidaten werde ich, so wie von dir vorgeschlagen, killen.

Vorschmecken, durchschmecken, beides steht im Duden. Bas hat das Vorschmecken ebenfalls bemängelt. Jetzt seid ihr schon zu zweit. Das gibt mir zu denken. "Die Karotte war immer noch herauszuschmecken" ginge noch. Irgendwie finde ich das aber weniger elegant. Mal schauen.

Ich finde es interessant, dass du bei dem kursiven Gespenstersatz auch die Möglichkeit einer Fehlgeburt ins Spiel bringst. Daran habe ich überhaupt nicht gedacht. Aber diese Mehrdeutigkeit gefällt mir gut. Warum soll ich die auflösen?

Du schlägst vor, den letzten Satz auch kursiv zu schreiben. Ich nehme an, du meinst den vorletzten, also "Wenn erst ihr Baby käme, würde alles anders werden", oder?

Da muss ich noch mal nachdenken. Irgendwie finde ich das arg plump, die ganzen wichtigen Stellen kursiv zu machen. Wie mit dem Holzhammer. Macht man das wirklich so? Im Titel steht das Baby ja auch noch.

Der kursive Gespenstersatz markiert momentan die Bruchstelle zwischen seiner Perspektive und ihrer. Das, was du zum Perspektivwechsel geschrieben hast, habe ich nicht verstanden. Ich brauche beide Perspektiven. Bei solch einem kurzen Text erschiene mir ein weiterer Wechsel too much. Denkst du, wenn seine Perspektive ihre einrahmt (wie eine Rahmenhandlung), dann wäre das schlüssiger? :confused:

Also, merci vielmals für deinen Kommentar! :)

LG, Anne

 

Hallo Anne,

das mit dem Perspektivwechsel nehme ich zurück, es geht so, wie du es beschreibst. Ich habe mich noch gefragt, ob du seine Perspektive überhaupt brauchst, weil es ja ihre Welt ist, die im Vordergrund steht und ihre Perspektive, die sich immer weiter eingeengt hat. Aber sein Erleben dem Ihren gegenüberzustellen ist auch interessant. Gut übrigens, dass das Pils am Ende nochmal auftaucht. Wobei ich seine Reaktion auf das nicht vorhandene Bier am Anfang ziemlich gemütlich finde. "Dann halt Mineralwasser" Bitte denke nicht , dass ich dir jetzt alle deine Sätze streichen will, aber diesen Satz könnte man meiner Meinung nach auch ersatzlos streichen. Aber dass das Bier dreimal auftaucht, finde ich gut.

"Die Karotte war immer noch herauszuschmecken" gefällt mir, kommt mir auch nicht unelegant vor.

Aber diese Mehrdeutigkeit gefällt mir gut. Warum soll ich die auflösen?

Oh, das ist ein Missverständnis. Die solltest du auf keinen Fall auflösen.

Ja, das Gespenst. Wenn in einer Geschichte so ein ganz neues Stilelement auftaucht, dann bin ich es normalerweise gewohnt, das noch mehr davon kommt. Das ist ja wie so eine Flüsterstimme, eine neue Ebene. Und ich habe tatsächlich den letzten Satz gemeint. War eine Spontaneingebung und ich weiß auch nicht, ob das wirklich funktioniert. Das Gespenst am Tisch und das Tier, das schreit, scheinen mir die beiden Figuren zu sein, die diesen furchtbaren Mangel in ihr am besten ausdrücken.
In dem Fall wären die möglichen Bedeutungsebenen des Gespenstes sogar noch erweitert. Es könnte für einen verbannten Teil in ihr stehen, der einen großen Schmerz aus ihrer Vergangenheit trägt und diese fixe Idee in ihr auslöst. So unangenehm der Mann ist, es ist ja auch so, dass sie ihn völlig aus den Augen verloren hat und ihn benutzt, das hast du ja sehr eindrücklich dargestellt. Dieses "liebevoll" gekochte Essen dient nur einem einzigen Zweck und du hast die Essensbeschreibung toll kontrastiert damit, dass ihr alles was er tut und fühlt, völlig egal ist, bzw. nur in Bezug auf ihr Ziel interessant ist.

So, das waren noch ein paar Gedanken, liebe Anne und ich mache mich jetzt bald an die Antwort zu euren wunderbaren Kommentaren zu meiner älteren Geschichte.

Liebe Grüße von Chutney

 

Hi Chutney,

super, danke! :thumbsup:

Hab das jetzt mal alles so umgesetzt wie von dir angeregt.

Den Mineralwassersatz hatte ich auch schon als Streichkandidat gesehen, nu isser weg.

Allein, der letzte Satz, der ist noch nicht kursiv. Ich grübele noch.
Denke schon, dass das ein echtes Tier ist, das sie da hört. Natürlich wirkt es gespenstisch. Aber ich sehe es nicht auf einer Ebene mit dem Gespenst, das mit am Tisch sitzt.

Ich bin ja immer noch versucht, dass die Denise den Leander, wenn er von der Arbeit heimkommt, mal Baby nennt. So als Kosewort. Und natürlich mit Blick auf den Titel der Geschichte. Ich weiß nur nicht, wie künstlich das wirkt. Wer nennt heutzutage seinen Partner Baby? Klingt sehr nach Popcornkino der Neunziger. :confused:

LG, Anne

 

Hallo Bas,

ich bin dir noch eine Antwort schuldig ... :shy:

Du hast einen sehr interessanten Punkt angesprochen, auf den ich (in meinem Zorn ... :Pfeif: ) gar nicht eingegangen bin.

Trotzdem will ich ehrlich sein: Mir gibt die Geschichte nicht viel. Leander ist ganz gut gezeichnet, aber es ist auch nicht wirklich schwierig, einen dicken, saufenden Kerl unsympathisch erscheinen zu lassen (das habe ich selbst auch schon herausgefunden) und die Stimmung hast du auch gut eingefangen.

Saufend. Hm. Der Wunsch nach einem Bier am Feierabend erscheint mir durchaus legitim. Ich selbst trinke nur alkoholfreies. Dem Leander unterstelle ich mal, dass er lieber eins mit Alk trinkt. Deswegen ist er für mich aber noch kein Säufer.

Dick. Ja, gut. Als adipös wie deinen Kutscher Danilo habe ich ihn aber nicht beschrieben.

--- Kleiner Exkurs:
Endlich, endlich habe ich den Überfall auf den Kutscher gelesen und mein Herz schlug höher, als ich zum letzten Absatz kam:

zuletzt in der Angelegenheit der schönen Pelageja und des Zauberers Čermomor, doch das ist eine andere Geschichte

1. Ich freu mich drauf ...
2. Finde ich toll, weil der Überfall wieder ganz anders ist als die beiden anderen Texte, die ich von dir kenne. Deine Vielseitigkeit finde ich cool.
Exkurs Ende ---

Also, zurück zu Leander. Ich stelle ihn mir vor als einen Typen, der einen Scheißjob hat. Dieses berühmte mittlere Management, wo du zwischen allen Stühlen sitzt. Druck von oben, Druck von unten, Druck von allen Seiten. Ich will ihn nicht in Schutz nehmen. Aber er hat halt keinen Waschbrettbauch.
Viel ekliger finde ich die Haare aus seiner Nase. Börks.

Aber der Punkt, den du angesprochen hast, den finde ich schon sehr, sehr wichtig: Es gibt billige Mittel, eine Person entweder als sympathisch oder als unsympathisch zu zeichnen.

Und viel cooler ist es, wenn man diese Mittel nicht nötig hat, sondern es subtil anstellt. Mit kleinen Gesten. Über das Verhalten und die Dialoge.

In dieser Geschichte allerdings möchte ich Leander so lassen. Es ist ohnehin alles leicht satirisch überzogen, dieser Brand und alles. Nur aus diesem Grund möchte ich es drinlassen.

Aber ich verstehe, was du meinst, und grundsätzlich gebe ich dir da Recht.

Bei uns im Supermarkt gibt es so verschiedene Reihen von Heftromanen zu kaufen. Eine Romantikreihe heißt "Reich und schön". Das meine ich. Ich wollte mich dazu zwingen, eins von diesen Heften fertigzulesen. Ich habs nicht gekonnt.

So, jetzt komme ich zum schwierigsten Teil. Weil ich ein klein wenig ein schlechtes Gewissen habe, wie ich meinen ganzen Zorn an dir ausgelassen habe, obwohl du ja auch ein Füllhorn an Lob über mich ausgeschüttet hast. Das habe ich überlesen und das ist mir jetzt ein wenig peinlich.

Also, ich wünsche dir noch ein schönes Wochenende und bis bald hoffentlich,
Anne

 

Hallo Anne,

ich muss leider sagen, dass ich mich ziemlich durchquälen musste, durch deinen Text.
In meinen Augen sind die Sätze leider ziemlich sperrig, es kommt kein rechter Fluss auf, alles hat Ecken und Kanten, ich bleibe immer am text hängen, was verhindert, dass ich in die Geschichte eintauche.
Ich versuch dir das mal an ein, zwei Stellen deutlich zu machen

Das ist der erste Absatz. Der ist wichtig. Der muss den Leser abholen und in den text saugen. Für mich ist das so hakelig, dass ich da oft schon abbreche.

Leander kam heim und hatte einen Brand. Das nasse Hemd klebte ihm im Rücken. Er hatte eine Stunde auf der A5 festgesteckt, der CD-Player hatte seine Bushido-CD gekillt. Er war bedient.
Das hatte-Virus tritt oft in Folge von schwachen Satzkonstruktionen auf. ;) Oft lässt sich das umgehen, indem man an den Sätzen schraubt. Deine Sätze sind nach dem gleichen Schema aufgebaut, was die markierten Anfänge dir zeigen sollen. Das ist gleichförmig und dadurch dröge. Jetzt kannst du sagen, dass du ja genau das ausdrücken willst, aber bei aller gewollten Tristesse muss diese dennoch lesbar sein. Außerdem beschreibst du hier Emotionen, also ist diese Ausrede schon mal raus :p
Ich weiß ja nicht, wie du beim Schreiben vorgehst, aber die Suchen Funktion in dem Textverarbeitungsprogramm deiner Wahl ist manchmal ein wahrer Augenöffner.

Er knallte den Notebook-Rucksack in die Ecke und riss die Kühlschranktür auf. Das Licht war immer noch kaputt.
warum muss der Notebook-Rucksack so betont sein? Spielt doch keine Rolle für den Text. Das Wort indes ist sperrig.
Das mit dem kaputten Licht ist gut, hier deutest du schön subtil die Umständen an. Viele andere Dinge sind leider nicht so subtil ... Allerdings habe ich später den Eindruck, du wolltest gar keinen ärmlichen Eindruck erwecken ... Das teure Geschirr, die Kreditkarte, die teuren speisen ... Also doch irgendwie nicht so stimmig

„Ich hab hier Pils reingestellt. Wo ist das?“
Denise servierte Avocado-Thunfisch-Salat.
schöner Kontrast

Ist das gut oder schlecht?“, zirpte sie.
zirpen. Hm, kann man machen, klar. Aber das in Verbindung mit dem piepsen ein paar Zeilen darüber ist in meinen Augen zu viel

Arno, was ein Speichellecker. Leander wusste genau, wer arbeiten konnte und wer nur so tat als ob, wenn der Chef kam. Er war sich auch nicht zu schade, mal einen von den Hilfsarbeitern anzubrüllen, wenn es sein musste. Es waren Sonderschüler, und das war die einzige Sprache, die sie verstanden. Dem Chef gefiel das nicht.
Wieder so ein sperriger Absatz. Erneut: Satzanfänge. Hier ist es aber noch etwas wüster, weil die Personalpronomen irreführend verwendet werden. Wer ist gemeint? Arno oder Leander?

Das Telefon läutete. Denise schaute aufs Display, dann klickte sie den Anruf weg.
Lass mich doch, Anna, dachte sie. Du mit deinen Zwillingen ach so süß.
Heute war ihr freier Tag im Sanitärfachgeschäft. Sie hatte ihn genutzt.
display und klicken - du meinst drücken, wischen, ...
und wieder ungenau - wen meinst du Anna oder Denise

Mit dem Dessert hatte sie sich selbst übertroffen: Sahnecreme mit nur einem Hauch von Mokka. Während er es in sich hineinschaufelte, stellte sie sich hinter ihn und massierte seine knotigen Schultern.
das Unterstrichene zeigt, dass sie schon hinter ihm steht
Das Negligée hatte sie über dreihundert Euro gekostet, war quasi ihre Investition in die Zukunft, und Gott sei dank überprüfte er ihre Kreditkartenabrechnungen nie. Leander sah zur Uhr. Sie trat von hinten an ihn heran
,
und hier macht sie es noch einmal?

naja, diese Passagen nur exemplarisch als Untermauerung. Die Idee finde ich ganz gut. Der Kontrast zwischen den beiden, die blinde Hoffnung. Ja, das ist gut. Aber an der Umsetzung hapert es. Grundsätzlich solltest du überlegen, ob du die Geschichte nicht ins Präsens übersiedelst. Da würdest du einige sperrige Konstruktionen mit auflösen. Probier es einfach mal aus und halte beide Versionen gegeneinander. Welche ist leserlicher?
Nun ja, das sind meine Gedanken zu deinem Text. Mach draus, was du willst. Da du dich hier als so fleißige Kommentatorin einbringst, wollte ich dir auch einmal einen Besuch abstatten. :)

Schönen Sonntag noch
grüßlichst
weltenläufer

 

„Ich hab hier Pils reingestellt. Wo ist das?“
[...]
Es war immer da. Saß wie ein stummes Gespenst mit am Tisch.

Vielleicht ist es von Vorteil, eben nicht dem glatten "Lesefluss" zu frönen, denn schlägt nicht das wirkliche Leben eher Haken wie ein Kaninchen oder im Stau auf den Autobahnen im Eiermarsch vorwärts zu stolpern - insofern ist "Alltag" richtig gewählt,

liebe Anne!

Die Geschichte erinnert mich ein bisschen - wenn auch mit gänzlich anderen Mitteln und viel radikaler - an Brechts (studentisches, von Karl Valentin beeinflusstes) Frühwerk "die Hochzeit" (später umgetitelt zur "Kleinbürgerhochzeit"), in dem die heile Welt der Frischgetrauten mit dem vom Göttergatten selbstgebauten Ehebett förmlich zusammenbricht.

Was dort im Zusammenbruch des Mobiliars als Symbol gemeinsamer Zukunft in einer Zeit, da das Dreieinige K aus Kinder, Küche, Kirche das Leben der Frau bestimmte, schon am Ende des Hochzeitstages geschieht, deutet sich hier an Denisens arbeitsfreiem Tag und nach einem wohl stressigen Arbeitstag Leanders, wohl verstärkt aufgrund einer Ent-Täuschung über eine (erhoffte) Beförderung vor allem in Getränken, besser feuchten Medien überhaupt an, wobei der Schweiß auch eine Rolle spielt, wenn es sehr übertrieben heißt

Das nasse Hemd klebte ihm im Rücken ...
was sehr bedrohlich klingt aufgrund einer Verwechselung von "an" und "in".

Die Sonne oder ein Messer mag Leander "im" Rücken brennen, das Hemd klebt schlimmstenfalls "am" Rücken ...

Trivialeres

„Das einzige, was der kann, ist Gantt-Diagramme malen.
Sagt L. tatsächlich "malen"?, nicht doch "erstellen"?

Du mit deinen Zwillingen[, /alternativ und vllt. sogar besser " - "] ach so süß

So viel oder wenig für heute vom

Friedel,
der noch einen angenehmen Restsonntag wünscht

 

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